Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Nutzung von ChatGPT und privaten Smartphones während der Arbeitszeit

Zu zwei voneinander unabhängigen Sachverhalten – nämlich einmal zur Nutzung von ChatGPT durch Arbeitnehmer und zum anderen zum Verbot der Nutzung von privaten Smartphones während der Arbeitszeit – haben sich das Arbeitsgericht Hamburg und das Bundesarbeitsgericht jüngst verhalten und in beiden Verfahren entschieden, dass Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nicht betroffen sind.

Arbeitsgericht Hamburg, Beschluss vom 16. Januar 2024 – 24 BVGA 1/24 (BeckRS 2024, 547)

In dem vor dem Arbeitsgericht Hamburg verhandelten Sachverhalt wollte der Betriebsrat per Eilantrag durchsetzen, dass die Arbeitgeberin (ein Hersteller im Bereich der Medizintechnik) ihren Arbeitnehmern den Einsatz von sogenannten Chatbots, wie zum Beispiel ChatGPT (und anderen Systemen der künstlichen Intelligenz [KI]), verbietet. Die Arbeitgeberin wollte für ihre Arbeitnehmer die KI als "neues Werkzeug bei der Arbeit" zur Unterstützung und auf freiwilliger Basis und – soweit solche anfallen – sogar auch auf eigene Kosten nutzbar machen. Für die Nutzung veröffentlichte sie entsprechende „Guidelines“ und ein Handbuch. Die Software der Chatbots sollte dabei aber nicht auf den Servern und Systemen der Arbeitgeberin installiert werden. Vielmehr sollten die Chatbots über den Webbrowser aufgerufen werden (wofür sich die Arbeitnehmer im Vorfeld einen eigenen Privataccount bei dem jeweiligen Anbieter einrichten sollten). Der Betriebsrat protestierte und sah seine Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (das (Ordnungs-)Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betreffend), Nr. 6 (die Verarbeitung personenbezogener Informationen betreffend) und Nr. 7 (die psychische Belastung der Arbeitnehmer betreffend) verletzt.

Das Arbeitsgericht Hamburg konnte – jedenfalls im Rahmen des Eilverfahrens – entsprechende Rechtsverletzungen nicht erkennen und wies den Antrag des Betriebsrats, teils als unbegründet und teils als unzulässig, zurück. Es vertritt die Auffassung, dass die Vorgaben zur Nutzung von ChatGPT (und vergleichbarer Tools) unter das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten fallen: Denn insofern seien die von der Arbeitgeberin hinsichtlich der Nutzung aufgestellten Vorgaben in den Richtlinien und dem Handbuch als Anordnungen der Arbeitgeberin zu verstehen, die nur die Art und Weise der Arbeitserbringung nicht aber das Ordnungsverhalten betreffen, sodass das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht berührt werde. Des Weiteren werden auch keine personenbezogenen Daten verarbeitet. Zwar zeichnen die Chatbots Daten auf, allerdings führe die bloße Datenaufzeichnung nicht zur Mitbestimmung, weil der dadurch entstehende Überwachungsdruck gerade nicht vom Arbeitgeber, sondern von dem jeweiligen Chatbot ausgeübt werde. Der Arbeitgeber könne nämlich nicht auf die zum Beispiel von ChatGPT gewonnen Informationen zugreifen. Insofern ähnelt die Nutzung von ChatGPT der Nutzung juristischer Datenbanken (z. B. "Beck-Online"), bei der der Nutzer ebenfalls einen eigenen Account anlegt. Die Kennzeichnung und die damit verbundene Kontrollmöglichkeit der Arbeitgeberin, wer im Unternehmen Chatbots einsetze, erfolge hier durch die Mitteilung des Arbeitnehmers selbst. Da auf der Konzernebene der Arbeitgeberin bereits eine Konzernbetriebsvereinbarung zur Nutzung von Webbrowsern bestehe, sei das durch den Umstand begründete Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, das über die Browsernutzung Nutzungsdaten aufgezeichnet werden, bereits hinreichend berücksichtigt, und ein weiterer Mitbestimmungstatbestand nicht eröffnet worden. Schließlich hatte es der Betriebsrat versäumt zu einer konkreten Gesundheitsgefährdung durch Einsatz/die Nutzung von KI vorzutragen, sodass das Arbeitsgericht auch keine Verletzung des ebenfalls reklamierten Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ("psychische Belastung") erkennen konnte.

Hinweis zum Verfahrensstand: Das Hauptverfahren ist inzwischen durchgeführt, die Entscheidung ist allerdings noch nicht veröffentlicht.

Praxistipp

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts zeigt in die – aus Arbeitgebersicht – erfreuliche Richtung, die Erlaubnis KI gestützte Chatbots nicht zwingend als mitbestimmungspflichtige Maßnahme zu bewerten. Allerdings hatte der Arbeitgeber hier kluge und ausgewogene Vorgaben zur Nutzung entworfen und somit sichergestellt, dass die mitbestimmungspflichtigen Bereiche ("Webbrowser") bereits hinreichend durch eine Betriebsvereinbarung abgesichert waren. Natürlich bleibt abzuwarten, ob das Gericht seine Auffassung im Hauptsacheverfahren aufrechterhält und/oder die Entscheidung im Instanzenzug standhalten wird. Gleichwohl zeigt die Entscheidung aber erneut, dass Arbeitgeber, die ihre Maßnahmen sorgfältig vorbereiten und planen, vor einer nachteiligen Durchführung und Umsetzung bewahrt werden können.

 

BAG Beschluss vom 17. Oktober 2023 – 1 ABR 24/22

Im zweiten Fall, über den das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden hat, hatte die Arbeitgeberin ihren Mitarbeitern in einer verschriftlichten Arbeitsanweisung die „Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit“ verboten und die Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass bei Verstößen gegen diese Weisung mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gerechnet werden müsse. Der in diesem Betrieb gewählte Betriebsrat sah durch die einseitige Anordnung der Arbeitgeberin sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG verletzt, weil durch die Weisung das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betroffen sei. Ebenso wie die Vorinstanzen hat nun das Bundesarbeitsgericht der Rechtsauffassung des Betriebsrats eine Absage erteilt und festgestellt, dass das von der Arbeitgeberin ausgesprochene Verbot vorrangig das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer steuere. Ob die Maßnahme das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten oder das der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterliegende Ordnungsverhalten betreffe, richte sich nach dem objektiven Inhalt der Maßnahme sowie der Art des zu beeinflussenden betrieblichen Geschehens. Insofern urteilte das BAG, dass nach dem objektiven Inhalt der Zweck der Weisung darin bestehe, zügiges und konzentriertes Arbeiten der Mitarbeiter sicherzustellen, indem Ablenkungen privater Natur unterbunden werden. Dies gelte auch, wenn die Nutzung der privaten Mobiltelefone während Arbeitsunterbrechungen untersagt bleibe, damit die Arbeitgeberin so sicherstellen kann, den Mitarbeitern andere Arbeiten zuweisen zu können. Insofern – so die Auffassung des BAG – beschränke sich die Untersagung auf die Arbeitszeit und damit auf die Steuerung des mitbestimmungsfreien Arbeitsverhaltens. Dieser Regelungszweck überwiege, weshalb es irrelevant sei, ob die Mobiltelefonnutzung möglicherweise (auch) das betriebliche Zusammenwirken und damit das Ordnungsverhalten berühre. 

Diese Entscheidung ist insbesondere deshalb relevant, da ein Nutzungsverbot für Mobiltelefone während der Arbeitszeit von den Instanzgerichten in der Vergangenheit teilweise als mitbestimmungspflichtig beurteilt wurde. Mit dieser äußerst praxisrelevanten Entscheidung hat das BAG nun aber klargestellt, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, die ordnungsgemäße Arbeitstätigkeit seiner Mitarbeiter durch mitbestimmungsfreie Weisungen sicherzustellen. 

Praxistipp

Sofern die Nutzung von Mobiltelefonen nicht bereits durch den Arbeitsvertrag oder durch eine Betriebsvereinbarung ausgeschlossen wurde, kann der Arbeitgeber die Nutzung in Ausübung seines Direktionsrechts untersagen. Die Weisung unterliegt der sog. "Billigkeitskontrolle". Ein bereits im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung niedergelegtes Verbot der Handynutzung unterliegt dieser Billigkeitskontrolle nicht.

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