DAC 7: Tax Compliance Management Systeme gewinnen weiter an Bedeutung
- 16.12.2022
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Deutscher Gesetzgeber „belohnt“ künftig Unternehmen, die über ein wirksames Tax Compliance Management System verfügen.
Heute hat auch der Bundesrat dem „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts“ („DAC 7“) zugestimmt. Nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt kann das Gesetz planmäßig in Kraft treten. Wir berichten hier ==>
Gemäß § 38 Abs. 3 EGAO sollen im Zeitraum bis zum 30. April 2029 im Rahmen von Außenprüfungen von der Finanzverwaltung alternative Prüfungsmethoden erprobt werden. Dementsprechend sollen Systemprüfungen von – wie es im Gesetzeswortlaut heißt – „Steuerkontrollsystemen“ (regelmäßig in der Fachliteratur auch als „Tax Compliance Management Systeme“ (TCMS) bezeichnet) und die daraufhin im Rahmen von Außenprüfungen gewährten Erleichterungen von den Landesfinanzbehörden evaluiert werden. Nach Ablauf der Erprobungsphase wird § 38 EGAO am 1. Januar 2030 aufgehoben.
Ein Steuerkontrollsystem (Tax Compliance Management System) muss laut Legaldefinition (§ 38 Abs. 2 EGAO) die steuerlichen Risiken laufend abbilden und „umfasst alle innerbetrieblichen Maßnahmen, die gewährleisten, dass die Besteuerungsgrundlagen zutreffend aufgezeichnet und berücksichtigt werden sowie die hierauf entfallenden Steuern fristgerecht und vollständig abgeführt werden“.
Soweit im Rahmen einer Außenprüfung eines Steuerpflichtigen die Wirksamkeit eines von ihm eingesetzten Steuerkontrollsystems hinsichtlich der erfassten Steuerarten oder Sachverhalte überprüft wurde und kein oder nur ein unbeachtliches steuerliches Risiko bezüglich der entsprechenden Steuern und gesonderten Feststellungen besteht, kann die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen auf Antrag für die nächste Außenprüfung Erleichterungen „verbindlich zusagen“. Diese verbindliche Zusage von Beschränkungen von Art und Umfang der Ermittlungen steht unter dem Vorbehalt des Widerrufs und setzt voraus, dass keine Änderungen der Verhältnisse beim Steuerpflichtigen eintreten. Der Steuerpflichtige hat Veränderungen des Kontrollsystems zu dokumentieren und sie der Finanzbehörde unverzüglich schriftlich oder elektronisch mitzuteilen. (Vgl. § 38 Abs. 1 EGAO)
Erstmals gibt der deutsche Gesetzgeber damit den Steuerpflichtigen einen deutlichen und expliziten Anreiz zur Implementierung eines wirksamen Tax Compliance Management Systems. Die Steuerpflichtigen können auf gesetzlicher Grundlage nunmehr Erleichterungen in der Außenprüfung beantragen, wenn sie über ein wirksames Tax Compliance Management System verfügen.
Einen ersten Anreiz zur Implementierung eines Tax Compliance Management Systems lieferte bisher nur die Finanzverwaltung, indem die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder im Jahr 2016 den Anwendungserlass zur AO (AEAO) um eine Regelung zu § 153 AO ergänzt haben. In Tz. 2.6 des Anwendungserlasses zu § 153 AO heißt es u. a.: „Hat der Steuerpflichtige ein innerbetriebliches Kontrollsystem eingerichtet, das der Erfüllung der steuerlichen Pflichten dient, kann dies ggf. ein Indiz darstellen, das gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit sprechen kann. Dies befreit jedoch nicht von einer Prüfung des jeweiligen Einzelfalls.“ Bei Veröffentlichung des Anwendungserlasses zu § 153 AO hatte die Finanzverwaltung bewusst darauf verzichtet, die Ausgestaltung eines entsprechenden Tax Compliance Management Systems zu definieren. Ebenso war es den Steuerpflichtigen bisher nicht möglich, z. B. über eine verbindliche Auskunft, eine Aussage der Finanzverwaltung zur Angemessenheit und Wirksamkeit eines implementierten Tax Compliance Management Systems zu erhalten. Die Entwicklung entsprechender Standards sollte damals bewusst Standardsettern, wie IDW, Bundessteuerberaterkammer und ähnlichen Organisationen überlassen werden.
Im Jahr 2017 hat das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. den IDW Praxishinweis „Ausgestaltung und Prüfung eines Tax Compliance Management Systems gemäß IDW PS 980 (IDW Praxishinweis 1/2016)“ veröffentlicht, den im Nachgang viele Unternehmen im Rahmen ihrer Implementierung und Ausgestaltung eines Tax Compliance Management Systems zugrunde gelegt haben.
Gemäß § 38 Abs. 1 EGAO ist auf Antrag des Steuerpflichtigen nunmehr im Rahmen einer Außenprüfung die Wirksamkeit des Tax Compliance Management Systems durch die Finanzverwaltung zu überprüfen.
Es bleibt abzuwarten, welche konkreten Anforderungen die Finanzverwaltung an die Wirksamkeit eines Tax Compliance Management Systems stellen wird und wie die Überprüfung der Wirksamkeit im Rahmen einer Außenprüfung durchgeführt werden wird. Einen guten Anhaltspunkt bietet unseres Erachtens hierfür aber weiterhin der – auch von der Finanzverwaltung – sehr anerkannte und oft zitierte IDW Praxishinweis 1/2016.
Deutschland folgt somit anderen Ländern, die bereits – teilweise seit vielen Jahren – erfolgreich sog. kooperative Außenprüfungsmodelle einsetzen. Diese kooperativen Außenprüfungsmodelle haben alle gemeinsam, dass sie jeweils auf einem wirksamen Tax Compliance Management System der Steuerpflichtigen basieren.
Es ist davon auszugehen, dass die Implementierung eines angemessenen und wirksamen Tax Compliance Management Systems weiter zunehmend an Bedeutung gewinnen und – zumindest in Zukunft – zu den expliziten Organisationspflichten der Geschäftsführung gehören wird. Anerkannte Best Practice ist es bereits heute. Zudem ist zu beachten, dass für die Steuerpflichtigen bereits nach geltendem Recht umfassende Kontroll- und Dokumentationspflichten bestehen, die die Finanzverwaltung in den GoBD zusammengefasst hat. Hierzu zählt insbesondere die Erstellung aussagekräftiger Verfahrensdokumentationen (inkl. Beschreibung des internen Kontrollsystems). In jüngster Zeit wurden in Außenprüfungsanordnungen auch vermehrt umfassende Verfahrensdokumentationen angefordert. Dieser Trend wird sich nach unserer Auffassung weiter verstärken.