Mindeststeuer: „Enge Zusammenarbeit von Tax, Finance, Controlling und IT notwendig“
- 27.03.2023
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Dr. Klaus-Jörg Dehne, Head of Quality Legal & Tax, erläutert die Herausforderungen, Vereinfachungsregeln und Handlungsempfehlungen der neuen Mindestbesteuerung.
Worin liegen für multinationale und nationale Unternehmensgruppen die zentralen Herausforderungen bei Eintritt in die Mindestbesteuerung?
Dr. Klaus-Jörg Dehne: Zunächst einmal müssen die Unternehmensgruppen herausfinden, ob sie überhaupt unter die Mindestbesteuerungsregeln fallen. Dazu muss der konsolidierte Umsatz die Grenze von 750 Millionen Euro überschreiten, wobei die sog. „Two out of four“-Regelung gilt. Sie besagt, dass die Umsatzgrenze in zwei der vier zurückliegenden Wirtschaftsjahre überschritten worden sein muss. Dann fällt die Unternehmensgruppe unter die Mindestbesteuerung, deren neuen Regelungen für Wirtschaftsjahre gelten, die ab dem 30.12.2023 beginnen.
Sodann ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Vorschriften über das sog. „GloBE Net Income“ (im aktuellen Diskussionsentwurf des BMF vom 17.3.2023 „Mindeststeuer-Gewinn oder Mindeststeuer-Verlust“) und über die sog. „adjusted covered taxes“ (im Diskussionsentwurf „Betrag der angepassten erfassten Steuern einer Geschäftseinheit“), die Grundlagen der Ermittlung der effektiven Steuern sind. Diese Vorschriften sehen zahlreiche Hinzurechnungen und Kürzungen vor, die so aus der Finanzberichterstattung nicht automatisiert zur Verfügung stehen können. Dies stellt die Organisationen vor zentrale Herausforderungen, da diese Informationen auf Geschäftseinheiten und den Landeslevel „heruntergebrochen“ werden müssen und die erforderlichen Daten in den bisherigen Group Reporting Packages nicht vollumfänglich enthalten sind. Überdies müssen die sog. „Steuerattribute des Übergangsjahrs“ ermittelt werden. Dies ist die Neuberechnung aller aktiven und passiven latenten Steuerpositionen zum Beginn des Übergangsjahres. Dies ist von enormer Wichtigkeit, damit der Mindeststeuerwert insbesondere von latenten Steuerforderungen aus Verlustvorträgen, die sodann aufwandswirksam die Steuerquote erhöhen, ermittelt wird.
Wie sollten sich die Unternehmen darauf vorbereiten?
Dehne: Zunächst sollten sie eine erste Betroffenheitsanalyse und Analyse der vorhandenen Rechnungslegungsinformationen, Prozesse und IT durchführen und überprüfen, ob sie die Anforderungen an das qualifizierte CbC-Reporting erfüllen, und welche Länder potenziell niedrig besteuert sind. Leider stellt sich in der Praxis nicht selten heraus, dass auch Länder, die eine nominale – in der Finanzberichterstattung auch eine effektive – Steuerquote von über 15 % aufweisen, insbesondere wegen der sog. „Recapture Rules“, die eine Neubewertung der latenten Steuerpositionen für Zwecke der Berechnung der „adjusted coverred taxes“ vorschreiben, für Zwecke der Mindestbesteuerung unter die Niedrigsteuergrenze von 15 % fallen. Eine enge Zusammenarbeit von Tax, Finance, Controlling und IT ist notwendig, neue Prozesse müssen geschaffen, bestehende überprüft und weiterentwickelt werden. Neue Daten müssen ggf. automatisiert zur Verfügung gestellt und in einem „Tool“ verarbeitet werden. Wichtig ist auch die Schulung des Personals über die neuen Mindestbesteuerungsregelungen, die – wegen der Verknüpfung mit dem Accounting – auch dann erforderlich sein wird, wenn man daran denkt, die Funktion der Erstellung des Mindeststeuerberichts und der Steuerklärungen zur Mindestbesteuerung an einen Berater outzusourcen.
Gibt es Entlastungsmöglichkeiten, die Unternehmen zu Beginn der Neuregelungen nutzen können?
Dehne: Erleichterungen werden den Unternehmen auf Antrag in der Einführungsphase gewährt, indem die Daten aus dem qualifizierten CbC-Report, wenn dieser mit einem qualifizierten Konzernabschluss erstellt wurde, entnommen werden. Zulässig ist dieses Vorgehen durch den sog. „CbCR-Safe Harbour“. Die Einführungsphase betrifft grundsätzlich Wirtschaftsjahre, die vor dem 31.12.2026 beginnen und vor dem 1. Juli 2028 enden. Damit können in dieser Einführungsphase alle sog. „low risk“ Jurisdiktionen herausgefiltert werden, so dass die vollständigen Daten nur für die „echten“ Niedrigsteuerländer erstellt werden müssen. Allerdings müssen Unternehmensgruppen, die diese Option nutzen wollen, darauf vorbereitet sein, dass die Berechtigung zur Inanspruchnahme des „Safe Harbours“ innerhalb von 36 Monaten nach Übermittlung des Mindeststeuerberichts durch die Finanzbehörden überprüft werden können. Der Nachweis der Anspruchsberechtigung muss dann sechs Monate nach Aufforderung erfolgen.
Was erwartet die Teilnehmer beim nationalen Steuergipfel am 30. März 2023 in der von Ihnen moderierten Podiumsveranstaltung zur Mindestbesteuerung?
Dehne: Die Teilnehmer können Erläuterungen zum brandaktuell veröffentlichten Diskussionsentwurf des BMF zum MinBeStRL – UmsG erwarten. Weiterhin werden die in der Praxis sehr wichtigen Vereinfachungsregeln in der Einführungsphase, insbesondere der sog. CbC-Report Safe Harbour, dargestellt. Darüber hinaus erläutert die Runde die sehr wichtige Ermittlung der Steuerattribute des Übergangsjahrs, nämlich die aktiven latenten Steuern, anhand eine Praxisfalles. Die dreistufige Regelungstechnik der Mindestbesteuerung –die Finanzberichterstattung, das nationale Steuerrecht und die Mindestbesteuerungsregeln selbst – stellt ein überaus komplexes System von mehrstufigen „linking rules“ dar, das anhand einer „verunglückten Reorganisation“, die erst in der Betriebsprüfung erkannt und korrigiert wird, erstmals systematisch dargestellt wird. Daran anschließend wollen wir einen Überblick darüber vermitteln, wie in einem Besteuerungssystem, an dem weltweit zahlreiche Staaten beteiligt sind, überhaupt Rechtssicherheit erreicht werden kann. Leider haben OECD, EU und auch der nationale Gesetzgeber viele wichtige Punkte offengelassen.