Tonnagebesteuerung: Besteuerung des Unterschiedsbetrags bei Ausscheiden des Gesellschafters
Im Umfeld des Unterschiedsbetrags im Rahmen der Tonnagebesteuerung gewinnt aktuell das Thema „Ausscheiden des Gesellschafters“ an Bedeutung. Aufgrund neuerer Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) und einem derzeitigen Gesetzesänderungsvorhaben wird die Frage, unter welchen Umständen das Ausscheiden eines Gesellschafters nach § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG schädlich ist und die Besteuerung (des auf ihn entfallenden Teils) des Unterschiedsbetrags auslöst, erneut aufgerollt. Dreh- und Angelpunkt ist dabei, wie der Gesetzeswortlaut zu verstehen ist, nach welchem für den Zeitpunkt der Besteuerung auf das „Ausscheiden“ des Gesellschafters abgestellt wird.
Grundsätzliche steuerliche Folge des Ausscheidens
Erfolgt das Ausscheiden des Gesellschafters durch Veräußerung seines Anteils am Handelsschiff-Unternehmen, so wurde dies stets unstreitig als ein Ausscheiden im Sinne der Gesetzesnorm verstanden. Der anteilige Unterschiedsbetrag ist in solch einem Fall bei dem ausscheidenden Gesellschafter dem Gewinn hinzuzurechnen und der Besteuerung zu unterwerfen.
Uneinheitlich war bislang die Beurteilung, wenn das Ausscheiden des Gesellschafters entweder dadurch erfolgt, dass er seinen Anteil unentgeltlich überträgt (dazu gehört auch der Erbfall) oder dass sein Anteil Gegenstand einer Umwandlung zu Buchwerten ist. Seit 2008 hatte die Finanzverwaltung mit der Ergänzung des sogenannten „Tonnagesteuererlasses“ ihre Auslegung klargestellt. In beiden Fällen soll keine sofortige Besteuerung nach § 5a Abs. 4 EStG beim ausscheidenden Gesellschafter erfolgen. Der Unterschiedsbetrag soll vielmehr vom Rechtsnachfolger übernommen werden.
Neuste BFH-Rechtsprechung
Der BFH hatte jedoch – entgegen der Finanzauffassung – in zwei Urteilen (vom 28. November 2019 – IV R 28/19 und vom 29. April 2020 – IV R 17/19) ausgeurteilt, dass unter dem Begriff des „Ausscheidens“ jegliches Ausscheiden des Gesellschafters zu verstehen sei, unabhängig davon, ob dies unentgeltlich oder entgeltlich, im Wege der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge erfolge. In den Urteilen war es in der Folge dadurch im Falle einer Buchwerteinbringung und in einem Erbfall nicht zu einer Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags beim Rechtsnachfolger gekommen. Der Einbringende hatte dadurch den Unterschiedsbetrag im Moment der Einbringung zu versteuern. Da der Erbfall bereits lange zurücklag und verjährt war, kam es dort zu keinerlei Besteuerung.
Gesetzesänderungsvorhaben
Dies nahm der Gesetzgeber zum Anlass, § 5a Abs. 4 EStG zu ändern und verdeutlichend zu erweitern. Auf Empfehlung der Wirtschafts- und Finanzausschüsse hat der Bundesrat mit Beschluss vom 5. März 2021 (BR-Drs. 50/51 (B)) eine Änderung von § 5a Abs. 4 EStG dahin gehend vorgeschlagen, dass nun eindeutig gesetzlich geregelt ist, dass unter den Begriff des „Ausscheidens“ auch Fälle einer Umwandlung nach §§ 20, 24 UmwStG fallen. Im Falle einer Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG dahingegen (also insbesondere bei Schenkungen und Erbfällen) soll der Unterschiedsbetrag auf den Rechtsnachfolger übergehen. Damit dies verfahrensrechtlich unkompliziert vonstattengehen kann, soll in diesem Fall § 182 Abs. 2 AO sinngemäß gelten, sodass ein bereits erlassener Festsetzungsbescheid auch gegen den Rechtsnachfolger Wirkung entfaltet.
Diese Gesetzesänderung soll bzgl. unentgeltlicher Übertragungen nach § 6 Abs. 3 EStG rückwirkend ab dem Jahr 1999 gelten. Bzgl. Buchwerteinbringungen nach §§ 20, 24 UmwStG wird die vom BFH geklärte Rechtslage in Gesetzesform gegossen. Das Gesetzgebungsverfahren läuft derzeit noch und wurde aktuell an die Ausschüsse des Bundestages unter Federführung des Finanzausschusses zur weiteren Beratung überwiesen.
Was bedeutet das?
Bei genauerer Betrachtung wird schnell klar, dass versucht wird, bereits verjährte Sachverhalte (in Erbfällen und Fällen von Schenkungen) in die Besteuerung zurückzuholen. Da es faktisch seit 2006 keine neuen Unterschiedsbeträge mehr gibt, handelt es sich weitgehend um eine Problematik in der Vergangenheit. Die meisten betroffenen Gesellschaften haben ihr Schiff zwischenzeitlich verkauft, sodass es heute kaum noch Unterschiedsbeträge gibt, die auf einen Rechtsnachfolger übertragen werden könnten. Es gibt aber noch viele offene Besteuerungsfälle im Zusammenhang mit den Schiffsverkäufen der letzten Jahre.
Sofern Gesellschafter ihren Anteil in der Vergangenheit unentgeltlich durch Schenkung oder Erbfall erworben haben, haben diese nach der aktuellen BFH-Rechtsprechung bei Schiffsverkauf keinen Unterschiedsbetrag zu versteuern. Dieser hätte nämlich bereits zum Zeitpunkt der Schenkung/des Erbfalls beim Rechtsvorgänger besteuert werden müssen. Sofern das Übertragungsjahr verjährt ist, kommt es daher zu keiner Besteuerung.
Sollte es dahingegen zur rückwirkenden Gesetzesänderung kommen, wäre der Unterschiedsbetrag bereits zum Zeitpunkt der Schenkung oder des Erbfalls auf den Erwerber übergegangen mit der Folge, dass bei Schiffsverkauf der Erwerber den Unterschiedsbetrag zu versteuern hätte. Dies ist unabhängig davon, ob das Übertragungsjahr bereits verjährt ist.
Unsere Ansicht
Diese Änderung, insbesondere die Rückwirkung, erstaunt – vor allem in Verbindung mit der Begründung.
Denn in der Begründung zum Gesetzentwurf bezieht sich der Bundesrat vor allem auf den Tonnagesteuererlass in der Fassung von 2008, der eine Orientierung für die Steuerpflichtigen gewesen sein soll. Dieser ordnet jedoch eine Übertragung des Unterschiedsbetrags ausdrücklich sowohl für unentgeltliche Übertragungen als auch für Buchwerteinbringungen an. Wieso der Tonnagesteuererlass für den Steuerpflichtigen nur bei Übertragungen nach § 6 Abs. 3 EStG (also in Erbfällen und bei Schenkungen), jedoch nicht bei buchwertneutralen Einbringungen nach dem Umwandlungssteuergesetz eine Orientierung gewesen sein soll, ist in sich widersprüchlich.
Ebenso unerklärlich bleibt, dass die Entwurfs-Begründung die (vorweggenommene) Erbfolge der Fußstapfentheorie zuordnet, um die Übertragung auf den Rechtsnachfolger zu begründen, dies bei buchwertneutralen Umwandlungen entgegen den Regelungen des Umwandlungsteuerrechts aber allem Anschein nach nicht so sieht.
Besonders fraglich scheint der Gesetzentwurf jedoch, wenn gleichzeitig eine Rückwirkung dieser neuen Regelung bis ins Jahr 1999 – also bis zum Beginn der Tonnagebesteuerungsregelungen – angeordnet wird. Rückwirkende Gesetzesänderungen sind aus Gründen des Rechtstaatsprinzips und dem daraus abgeleiteten Vertrauensschutzgedanken grundsätzlich nur unter sehr restriktiven Voraussetzungen möglich. Dass hier die Entwurfs-Begründung damit argumentiert, dass der Rechtsnachfolger aufgrund der Verwaltungspraxis und des eindeutigen Wortlauts des Tonnagesteuererlasses aus 2008 kein schutzwürdiges Vertrauen dahin gehend aufbauen konnte, dass der Unterschiedsbetrag beim Rechtsvorgänger hinzuzurechnen sei, offenbart die Unstimmigkeit dieses Gesetzentwurfes.
Denn einerseits ordnet der Tonnagesteuererlass den Übergang auf den Rechtsnachfolger in beiden Fällen der Buchwertübertragung an. Schutzwürdiges Vertrauen dahin gehend, dass der Unterschiedsbetrag auf den Rechtsnachfolger übertragen werde, baute sich also für den Steuerpflichtigen auch in Fällen der Buchwerteinbringungen auf. Andererseits können der Tonnagesteuererlass und eine darauf basierende regelmäßige Verwaltungspraxis es nicht rechtfertigen, dass die Neuregelung bis in einen Zeitraum von fast 10 Jahren vor Veröffentlichung des Erlasses zurückwirkt.
In letzter Konsequenz gesteht der Entwurf selbst ein, dass es für die Fälle der Buchwerteinbringungen nicht konsistent ist, wenn die neue BFH Rechtsprechung nicht auch rückwirkend geändert wird, da diese von der beständigen Verwaltungspraxis abweicht, die seit 2008 im Tonnagesteuererlass sogar nach außen getragen wurde, und auf die der Steuerpflichtige vertrauen durfte.
Fragt man nach der tatsächlichen Intention der geplanten Neuregelung, so wird schnell deutlich, dass die Regelung des Tonnagesteuererlasses aus 2008 lediglich vorgeschoben wurde, um ein fiskalisches Ziel zu verfolgen: durch die Normierung des Übergangs des Unterschiedsbetrags auf den Rechtsnachfolger in Fällen von Schenkungen und (vorweggenommenen) Erbfolgen nach § 6 Abs. 3 EStG können bereits seit langem festsetzungsverjährte Erbschaftsfälle quasi nachgelagert beim Rechtsnachfolger besteuert werden. Durch die Regelung der Aufdeckung des Unterschiedsbetrags beim Übertragenden in Fällen einer buchwertneutralen Umwandlung gemäß §§ 20, 24 UmwStG wiederum soll bei bestimmten steuersparenden Konstruktionen die Steuer in größerer Höhe abgeschöpft werden. Hierbei schwebten den Verfassern des Entwurfes vermutlich Fälle vor Augen, in denen ein Gesellschafter seine Beteiligung in seine eigene Ein-Mann-GmbH & Co. KG einlegt, an welcher die GmbH einen Anteil von fast 100 % hält, sodass es bei einer späteren Auflösung des Unterschiedsbetrags zu einer günstigeren Sofort-Besteuerung aufgrund des Steuersatzgefälles zwischen natürlicher Person und Kapitalgesellschaft kommt.
Praxishinweis
Sollte der Beschluss in dieser Form in ein Gesetz umgesetzt werden, hätte dies zweierlei Folgen:
- Für die Steuerpflichtigen, welche ihren Anteil zu Buchwerten eingebracht hatten (§§ 20, 24 UmwStG), wird es schwer werden, eine Besteuerung des Unterschiedsbetrags bei sich selbst zu vermeiden. Lediglich in Fällen, die bspw. aufgrund eines Einspruchs noch offen sind und in welchem die Einbringung bereits vor den Urteilen des BFH aus 2019 und 2020 erfolgte – der Steuerpflichtige also auf die Erlasslage vertrauen durfte – könnte ggf. im Wege einer Billigkeitsentscheidung eine von der Rechtslage, wie sie durch die neue BFH Rechtsprechung geklärt und durch die Gesetzesänderung festgeschrieben wurde, abweichende Festsetzung beantragt werden. Hierbei ist jedoch nicht abschätzbar, inwieweit der vermutlich stets notwendige Rechtsweg Aussicht auf Erfolg haben wird.
- Eine weitere Folge der Gesetzesänderung wäre, dass diejenigen Steuerpflichtigen, die einen Anteil schenkweise übertragen bekommen haben, entgegen der aktuellen BFH-Rechtsprechung den Unterschiedsbetrag versteuern müssten. Um diese Besteuerung zu vermeiden, erscheint ggf. ein zeitlich aufwendiger Umweg über das Bundesverfassungsgericht erforderlich.
Es bleibt daher zu hoffen, dass der Gesetzgeber – vor dem Hintergrund rechtsstaatlicher Grundsätze – den Gesetzesentwurf im Hinblick auf die erwähnten Punkte nochmals überarbeitet.