Weiter keine Rechtssicherheit bei Umwandlungen in Drittstaatenfällen
- 30.08.2022
- Lesezeit 6 Minuten
Die Bruchstelle zwischen Umwandlungssteuergesetz und Umwandlungsgesetz bleibt nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie („UmRUG“) bestehen – eine nicht nachvollziehbare Entscheidung des Gesetzgebers.
Auch das geplante Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG) versäumt es leider, die umwandlungsrechtlichen Rahmenbedingungen bei grenzüberschreitenden Umwandlungen im Drittstaatenkontext zu schaffen. Dies ist erst recht bedauerlich vor dem Hintergrund der Öffnung des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) für Drittstaatenfälle im Zuge des Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftssteuerrechts (KöMoG). Denn durch ein fehlendes flankierendes umwandlungsrechtliches Fundament läuft der umwandlungssteuerrechtlich gegebene Anwendungsbereich bislang aus Beratersicht im Wesentlichen ins Leere.
Problem in der Beratungspraxis: Strenge Auslegung der Beteiligungsfähigkeit von Drittstaatengesellschaften
Im Zuge des KöMoG wurde der § 1 Abs. 2 UmwStG aufgehoben. Dieser beschränkte den Anwendungsbereich des Gesetzes auf die Europäische Union (EU)/ den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Auch wenn die praxisrelevante Fallgruppe Einbringungen und Anteilstausch nach §§ 20 ff. UmwStG im Drittstaatenkontext weiterhin leider nicht zu Buchwerten möglich ist, ermöglichte die Änderung zum 1. Januar 2022 dennoch eine Vielzahl von steuerneutralen Umstrukturierungen in Drittstaatenfällen – bislang allerdings leider lediglich theoretisch.
Aus steuerlicher Sicht fallen seit dem 1. Januar 2022 weltweit alle Umwandlungen von Körperschaften i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwStG – d.h. insbesondere Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel, die einer inländischen Umwandlung i.S. des UmwStG vergleichbar sind – in den Anwendungsbereich des UmwStG. Diese Öffnung des UmwStG für Drittstaatenfälle kommt den Bedürfnissen international agierender Unternehmen deutlich entgegen, etwa wenn sie über Tochtergesellschaften außerhalb der EU und des EWR-Raumes verfügen. Daher ist die Globalisierung des Umwandlungssteuerrechts grundsätzlich sehr zu begrüßen.
In der Beratungspraxis blieb aber beispielsweise das Problem, dass eine Verschmelzung etwa einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft (z.B. in der Rechtsform einer Inc.) auf eine deutsche GmbH – wenn auch vom UmwStG nun ausdrücklich zugelassen – aus zivilrechtlicher bzw. gesellschaftsrechtlicher Sicht unseres Erachtens bislang nicht rechtssicher umsetzbar ist.
Ihren Ursprungspunkt findet die zivilrechtliche Problematik darin, dass beteiligungsfähig im Hinblick auf eine grenzüberschreitende Verschmelzung i.S. des § 122b UmwG nur solche Kapitalgesellschaften sind, die nach dem Recht eines EU- oder EWR-Mitgliedstaates gegründet worden sind und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat haben. Dieses Kriterium wird in der zivilrechtlichen Literatur recht streng ausgelegt und eine Beteiligungsfähigkeit von solchen Gesellschaften, die nach dem Recht eines Drittstaates gegründet wurden, verneint. Auch eine nachträgliche Sitzverlegung hilft hier leider nicht weiter.
Geplante Änderungen durch das UmRUG bleiben ohne Auswirkungen auf Drittstaatenfälle
Vor dem Hintergrund der EU-Richtlinie UmwRL (Richtlinie (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen), die erstmals eine grenzüberschreitende Spaltung und einen grenzüberschreitenden Formwechsel zulässt und mit einer Reform der Regelungen zur grenzüberschreitenden Verschmelzung einhergeht, ist der deutsche Gesetzgeber aufgefordert, das UmwG entsprechend zu modernisieren.
Eine Umsetzung der UmwRL in nationales Recht soll durch das UmRUG erfolgen, das aktuell in Form des RegE vom 6. Juli 2022 vorliegt. Hinsichtlich grenzüberschreitender Sachverhalte ist es geplant, das UmwG um ein neues Buch zu erweitern, das zukünftig alle Regelungen bzgl. grenzüberschreitender Umwandlungen (d.h. Verschmelzung, Spaltung, Formwechsel) erfasst (vgl. Sechstes Buch, §§ 305-345 UmwG-E). Die Bestimmungen zur grenzüberschreitenden Verschmelzung sollen als Regelungsvorbild für das Verfahren der Spaltung und des Formwechsels dienen (vgl. RegE, S. 2).
Die im Drittstaatenkontext problematische Norm des § 122b UmwG wird zwar zu § 306 UmwG-E, erfährt jedoch leider keine inhaltliche Änderung. Als verschmelzungsfähige Gesellschaften gelten nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 UmwG-E weiterhin lediglich solche Kapitalgesellschaften, die nach dem Recht eines EU- oder EWR-Mitgliedstaates gegründet worden sind und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat haben.
Sollte der Kreis der verschmelzungsfähigen Gesellschaften im Zuge des weiteren Gesetzgebungsverfahrens nicht erweitert werden, dürfte dies als eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zu deuten sein, grenzüberschreitende Verschmelzungen mit Drittenstaatenbezug nicht zu ermöglichen. Nach unserer Einschätzung wäre dieser Schritt aber insbesondere vor dem Hintergrund der Aufhebung des § 1 Abs. 2 UmwStG nicht nachvollziehbar. Diese Entscheidung dürfte auch keinen Interpretationsspielraum mehr lassen und mithin etwaigen Überlegungen, etwa im Hinblick auf eine Analogie, entgegenstehen, da sich der Gesetzgeber gewissermaßen „sehenden Auges“ vor dem Hintergrund des abweichenden Regelungsregimes des UmwStG i.d.F. des KöMoG dazu entschließt.
Gesetzgeber verpasst die Chance, die Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Umwandlung in Drittstaatenfällen zu erweitern
Es bleibt daher zu hoffen, dass sich der Gesetzgeber im Zuge des weiteren Gesetzgebungsverfahrens dafür entscheidet, die Möglichkeiten zur grenzüberschreitenden Umwandlung auch in Drittstaatenfällen zu erweitern und damit über die Umsetzung des nach EU-Recht geforderten „Minimalprogramms“ bewusst hinausgeht. Dies gilt insbesondere auch in Anbetracht dessen, dass es sich bei dem UmRUG, dessen Inkrafttreten zum 31. Januar 2023 geplant ist, um eine der umfassendsten Reformen des UmwG der vergangenen Jahre handelt. Eine deutliche Erweiterung der Möglichkeiten zur grenzüberschreitenden Umwandlung bietet sich daher vor dem Hintergrund der Ausgliederung der betreffenden Regelungen in ein eigenes Buch des UmwG geradezu an. Anderenfalls wird die im Zuge des KöMoG vorgenommene und in der Praxis begrüßte Globalisierung des UmwStG voraussichtlich leider im Ergebnis in Leere laufen, da entsprechenden steuerlichen Umstrukturierungen auch zukünftig ein rechtssichereres zivilrechtliches Fundament fehlt.
In solchen Konstellationen wäre dann weiterhin auf alternative Umwandlungswege zurückzugreifen. So lässt sich beispielsweise eine Verschmelzung der Drittenstaatengesellschaft (z.B. USA) mittels Einschaltung einer aufnehmenden EU-Kapitalgesellschaft aus einem anderen EU-Land als Deutschland vollziehen, dessen gesellschaftsrechtliche Regelungen insoweit offener ausgestaltet sind als die Regelungen des UmwG in der jetzigen und voraussichtlich auch in ihrer zukünftigen Gestalt. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass in diesem Beispiel die Vergleichbarkeit des ausländischen Verschmelzungsvorgangs zu einer deutschen Verschmelzung zwingend gegeben sein muss, um die Steuerneutralität in Bezug auf das in Deutschland steuerverstrickte Betriebsvermögen unter Anwendung der umwandlungssteuerrechtlichen Vorschriften der §§ 11 ff. UmwStG nicht zu gefährden. Erst in einem finalen Schritt kann sodann aus dem EU-Ausland heraus die Brücke zum deutschen UmwG durch entsprechende nachfolgende Umwandlungsvorgänge geschlagen werden.